München (25. August 2025) – Zunehmender Protektionismus durch die US-Regierung, das weiter rückläufige Bruttoinlandsprodukt und ein Zehn-Jahres-Hoch bei den Unternehmensinsolvenzen verdeutlichen den enormen Restrukturierungsbedarf in deutschen Unternehmen. Doch oft handeln Geschäftsführer und Vorstände erst, wenn das Geld tatsächlich knapp wird. Echte Existenzsicherung beginnt aber bereits deutlich vor einer Liquiditätskrise. Hierfür benötigen Unternehmen ein funktionierendes und effektives Krisenfrühwarnsystem, das aber meist gar nicht vorhanden ist – wie die aktuelle Ausgabe des „Restrukturierungs- und Sanierungsbarometer“ der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH (W&P) aus München zeigt. Im Gespräch mit dem Resilienzmagazin erläutert Daniel Emmrich, Partner bei W&P, inwieweit Frühwarnsysteme zur langfristigen Resilienz von Unternehmen beitragen können und wie sie aufgebaut sein sollten.
Resilienzmagazin: Eigentlich sind Krisenfrühwarnsysteme für Unternehmen seit Januar 2021 im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) vorgeschrieben. Ignorieren viele Unternehmen diese gesetzliche Vorgabe oder funktionieren die Systeme bei der Unternehmenssicherung nicht?
Daniel Emmrich: Das Thema „Frühwarnung“ wird in den meisten Unternehmen eher stiefmütterlich gehandhabt. Zwar sind Krisenfrühwarnsysteme in § 1 des StaRUG verpflichtend vorgeschrieben. Allerdings hat der Gesetzgeber die konkrete Ausgestaltung der Systeme nur sehr vage umrissen. Etwas konkreter wird das Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW). Im Februar 2025 – also vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes – hat das IDW mit dem IDW ES 16 den Entwurf eines neuen Standards veröffentlicht. Kernelemente von Krisenfrühwarnsystemen sind danach u.a. eine kurzfristige Liquiditätsplanung mit rollierenden Updates und ein effizienter Planungsprozess, der auch „Worst-Case“-Betrachtungen und Maßnahmen zur Risikominimierung umfasst.

Resilienzmagazin: Auch das klingt noch recht abstrakt. Wie sollten Unternehmer konkret vorgehen, wenn sie ein Krisenfrühwarnsystem gemäß StaRUG und IDW ES 16 in ihrem Betrieb aufbauen möchten?
Daniel Emmrich: Sie dürfen vor allem mit der Implementierung eines Frühwarnsystems nicht allzu lange warten, sonst werden sie schon bald mit Haftungsrisiken konfrontiert werden. Neben der bereits genannten Liquiditätsplanung muss eine belastbare integrierte Unternehmensplanung aufgebaut werden. Diese sollte mindestens 12, besser 24 Monate umfassen und neben der Basisplanung auch konkrete Maßnahmen abbilden. Die Maßnahmen sollten über eine reine Optimierung der Kostenstruktur hinausgehen und auch das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie aus dem Risikoblickwinkel auf den Prüfstand stellen. Hierbei gilt es, neben externen Faktoren auch die internen Strukturen ehrlich zu bewerten. Sind die Negativauswirkungen quantifiziert, werden strategische Gegenmaßnahmen entwickelt. Diese können – je nach Bedrohungsgrad – unter Umständen harte Entscheidungen bis hin zur kompletten Neuausrichtung des Geschäfts notwendig machen. Mit Blick auf die Existenzsicherung sind diese aber oft unabdingbar.
Resilienzmagazin: Eine solche 180-Grad-Drehung ihres Geschäftsmodells werden sich aber gerade lang gediente Geschäftsführer und Vorstände kaum trauen – frei nach dem Kölschen Grundgesetz: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Was bleibt dann noch, um die Restrukturierung doch noch in die richtigen Bahnen zu lenken?
Daniel Emmrich: Wenn erste Anzeichen einer Unternehmenskrise vorliegen, schlägt in der Tat oft die „Psychologie der Krise“ zu. Da werden Krisenanzeichen schöngeredet, Krisensymptome negiert und Krisentreiber ignoriert – ganz nach dem Motto: „In drei Monaten sieht die Lage schon viel besser aus“. Das gilt insbesondere in Familienunternehmen, die in ihrer langen Vergangenheit immer wieder Täler durchschritten haben. Übersehen werden dabei oft die vielen Sanierungsmaßnahmen, die damals ergriffen wurden, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Auch im aktuellen, hochdynamischen Umfeld müssen Unternehmen immer wieder neue Lösungen entwickeln und dabei einen Perspektivenwechsel vornehmen: Von „Inside-Out“ zu „Outside-In“. Oft bestimmen nämlich Anforderungen und Regularien von außen die Neuausrichtung des Unternehmens. Wer seine Restrukturierung entsprechend ausrichtet, wird langfristig an Resilienz gewinnen.
Fazit: Ein Krisenfrühwarnsystem, das in Form einer integrierten Unternehmensplanung inklusive Szenarien und kombiniert mit einer kurzfristigen Liquiditätsplanung aufgebaut wurde, versetzt das Unternehmen in eine aktiv gestaltende Rolle in der Krise. Je nach Bedrohungsgrad wurden im Vorfeld Maßnahmenbündel definiert, die es konsequent umzusetzen gilt. Damit hat man als Entscheider einen Plan B oder auch C und D in der Tasche und bleibt „Herr des Geschehens“.
Download des „Restrukturierungs- und Sanierungsbarometer“ (Ausgabe Q2/2025): https://www.wieselhuber.de/modules/file/1626/Restrukturierungs-undSanierungsbarometer_2-2025.pdf
Quelle: Dr. Wieselhuber & Partner GmbH